Artikel vom 12.12.2023
Monat: Dezember 2023
Ausverkauf kritischer Infrastruktur
Artikel aus der Waterfront 02/2023
Die Teil-Privatisierung der Hamburger Hafen und Logistik AG wirkt sich weit über Hamburg hinaus aus.
Bei dem Teilverkauf der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) geht es um das traditionsreichste Hamburger Unternehmen in kommunaler Hand. Hamburg ist und war immer der Hafen und der Hafen ist vor allem die HHLA. Die HHLA ging aus der „Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft hervor. Diese wurde 1885 gegründet, um für den einstigen Freihafen Hamburg ein Lagerhaus zu bauen. Entstanden ist weit mehr, nämlich die Speicherstadt, und das schon damals unter städtischer Beteiligung. Die Stadt investierte nicht nur Geld, sondern stellte auch das Bauland zur Verfügung. Und auch wenn in der Speicherstadt heute kein Tee, Kaffee, keine Gewürze oder Teppiche mehr lagern, erinnern sich noch einige Kollegen im Hamburger Hafen gut an ihre beruflichen Anfänge in den ehemaligen Kontoren zurück.
Bis zum Aufkommen des Containerumschlags 1966 war die Speicherstadt das wichtigste Warenlager Hamburgs und die HHLA Vorreiterin des Fortschritts in der Hansestadt. Am 31. Mai 1968 landete der „American Lancer“ als erstes Vollcontainerschiff im Hamburger Hafen. Gelöscht wurde das 213 Meter lange Schiff am Containerterminal Burchardkai (CTB), der sich in den 1970er-Jahren zur größten Umschlagsanlage Hamburgs entwickelt hatte. Später kamen der Containerterminal Tollerort (CTT) und Altenwerder (CTA) hinzu. Für die strategische Partnerschaft mit der Mediterranean Shipping Company (MSC) veräußert die Freie und Hansestadt Hamburg nicht nur ein Stück ihrer Geschichte. Auch wenn sie mit 50,1 Prozent die Mehrheit der Anteile behält, werden die Geschicke der HHLA im Hamburger Hafen nun in einem Joint-Venture mit der MSC gelenkt. Denn das Angebot der MSC gilt für den Teilkonzern Hafenlogistik mit den drei Segmenten Container, Intermodal und Logistik. Bei der MSC handelt es sich um die weltweit größte Reederei. Eigner sind Gianluigi Aponte und Familie. Hauptgeschäftszweig des Unternehmens ist die Schifffahrt, es expandiert zunehmend aber in die Bereiche Häfen, Logistik, Eisenbahn und Kreuzfahrt. Neben eigenen Beteiligungen an Terminalbetreibern als Stakeholder oder Joint Venture, hält die MSC 70 Prozent der Anteile an der Terminal Investment Limited (TIL), und ist damit der größte Anteilseigner eines der größten global agierenden Terminalbetreibers. Aus Sicht der MSC ist der Anteilskauf der HHLA strategisch folgerichtig, da sie seit Jahren die vertikale Integration in der Lieferkette ausbaut und verfestigt. Dass dies nun auch in Hamburg erfolgt, stellt einen Bruch in der Hafenpolitik dar und stößt bei den Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft ver.di auf erhebliche Kritik und Protest. ver.di lehnt die Privatisierung der Terminals ab und hat sich bislang erfolgreich dagegengestellt. Die Häfen sind Teil der kommunalen und kritischen Infrastruktur und gehören in öffentliche Hand. Nicht zuletzt geht es auch darum, für die Beschäftigten dauerhaft gute tarifvertragliche Lohn- und Arbeitsbedingungen zu sichern.
Mehr Konkurrenz der Seehäfen
Mit dem Anteilsverkauf an die MSC ist ein Einfallstor entstanden. Dies könnte sich auch auf andere Häfen auswirken und Privatisierungstendenzen in der Maritimen Wirtschaft vorantreiben. Doch die Wirkung des Verkaufs reicht auch aus einem anderen Grund weit über die HHLA und den Hamburger Hafen hinaus: Der Umschlag kann nur einmal erfolgen und daran verdient werden auch. Die Umschlagsgarantie der MSC an die Stadt Hamburg hat somit zur Folge, dass MSC das Umschlagsvolumen etwa in Bremerhaven oder sogar direkt von der HHLA, nämlich vom CTH (Eurogate-Containerterminal Hamburg), abziehen könnte. Dadurch wird eine weitere Konkurrenzsituation in einer ohnehin unter Wettbewerbsdruck stehenden Branche geschaffen. Dies wiederum steht im absoluten Gegensatz zu den Zielen der Nationalen Hafenstrategie. Dort wurden unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums Maßnahmen entwickelt, die eben genau die Konkurrenz unter den Seehäfen beheben und ein gemeinsames Vorgehen festlegen sollten. An der Entwicklung der Hafenstrategie war auch die Stadt Hamburg beteiligt. Das jetzige Vorgehen kommt somit auch einer Abkehr von der gemeinsamen Strategie gleich.
MAREN ULBRICH
Waterfront 02/2023
Die ver.di-Publikation für alle Hafenarbeiter*innen und Seeleute